von Heiner Müller 

 
Hamlets in der Unterwelt 
 
Aufführungsort: Autotunnel Heslach
 
  Ein Heller Lichtstreif bohrt sich in die Dunkelheit. Plötzlich, wo sich das kühle Licht im Unendlichen verliert, taucht eine Gestalt auf. Schwankend bewegt sie sich vorwärts. Langsam, tastend. Sie sucht Schutz an den kahlen Betonmauern. Dann Motorengeräusch in der Ferne. Es wird lauter, Scheinwerfer leuchten auf, eine Autotür fällt ins Schloss. Ein Mensch jagt wie eine schnaufende Dampflock den langen Gang hin und her. "Ich war Hamlet", erinnert sich dieser Gejagte. Tief unter der Oberfläche im Heslacher Tunnel, der sich auf Höhe des Südheimer Platzes ins Erdreich bohrt, verzweifelt Shakespeare's Dramenheld an sich und der Welt.

Kein noch so genialer Bühnenbildner könnte ein wirkungsvolleres Umfeld für diese Phantasmagorie des Elends, der Verzweiflung entwerfen, wie es dieser kalte unheimliche Stollen bietet. Ein langer Schlauch, der sich auf beiden Seiten im Dunkel verliert, weder Anfang noch Ende hat und wo jedes Wort an den ausgeschalten Betonwänden gebrochen wird.

Der Zuschauer wird in die Unterwelt geführt, nimmt teil an der Selbstzerstörung Hamlets und Ophelias. Hamlet verweigert sein Drama, will Frau sein, will gar nicht geboren sein. Ophelia will die Welt, die sie geboren hat, wieder zurücknehmen.

In der "Hamlet-Maschine" nutzt Heiner Müller, auch sonst sein Markenzeichen, den klassischen Stoff, um aktuelle politische Themen darzustellen. Hamlet als tragische Gestalt der Moderne, die durch die Unmöglichkeit der eigenen Ortsbestimmung die Orientierung in den Klassen, in der Gesellschaft verliert. Hamlet geht unter im Abgrund, der zwischen der Revolutions-Sehnsucht und dem allgegenwärtigen "Wortschleim" klafft.

In dem Spiel von Licht, Schatten und Hall öffnet sich eine mystische Welt fern jeglicher Realität. Es gibt keinen Ausweg aus dem Kreislauf der Geschichte, so Heiner Müllers Botschaft. Es gibt auch keinen Ausweg aus diesem Stollenlabyrinth.
(Stuttgarter Nachrichten)

Regie
Freia Fischer

Besetzung 
Hamlet: Wolfgang Haupt
Ophelia, Elektra & Clown: Marika Röther
Horatio: Edwin Bader 
Gesang & Hamlet 2: Elke Schwab
Gesang: Stefanie Haas
Hamlet3: Andreas Maier 
u.v.a.